Sonderbericht: DAX

TA professional, Mi, 26.09.2001,
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Weitere Artikel zum DAX in Sonderbericht vom 20.08.2001, Ausgabe Nr.23, Ausgabe Nr.22, Ausgabe Nr.21, Ausgabe Nr.20, Ausgabe Nr.19, Ausgabe Nr.18, Ausgabe Nr.15, Ausgabe Nr.8

Es hat der deutschen Börse m.E. überhaupt nicht gut getan, daß der Handel nach dem Anschlag auf das World Trade Center vor zwei Wochen ohne Unterbrechung fortgeführt wurde. Unser Leitindex war bereits technisch angeschlagen, wie wir gleich sehen werden, und wurde dann durch durchaus panikartige Verkäufe erheblich schwerer getroffen als die Indices des amerikanischen Markts.
So verlor der DAX seit dem 10.September, dem Tag vor der Attacke, bis zum bisherigen Tief am Freitag letzter Woche 18,9 Prozent. Der Dow Jones hingegen "nur" 14,3 Prozent, der erheblich marktbreitere S&P 500 Index ist mit 11,7 Prozent Verlust am geringsten eingebrochen.

Im folgenden Balken-Chart auf Wochenbasis ist zu sehen, daß der DAX ab Mitte August in eine entscheidende Position geriet. Denn schon seit Anfang vergangenen Jahres ist der Trend eindeutig abwärts gerichtet und auch kanalisierbar. Seit dem Top im März 2000 ist es möglich, einen sehr exakten Trendkanal zu konstruieren. Innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte vollzog sich so eine ungewöhnlich geordnete Abwärtsbewegung.

Chart: DAX Index - mittelfristig
Im März diesen Jahres hat der DAX den Abwärtstrendkanal nach einem Jahr Laufzeit erstmals nachhaltig verletzt. Dieser Ausreißer wirkte zuerst nicht bedrohlich, denn die Indexkurve prallte sofort nach Tagen positiv auf der nächsttieferen Unterstützung bei 5400 Punkten ab. Drei Wochen später befand sie sich wieder im Rahmen des Trendkanals. Mehr als ein Warnsignal war das noch nicht. Aber auch nicht weniger.

Im August verletzt der DAX den Abwärts-Trendkanal ein weiteres Mal durch Unterschreitung und trifft verfrüht auf den sich bei 5400 anbahnenden Cross-Support. Die waagerechte Unterstützung bei 5400 allein hält den DAX nur drei Wochen auf, mit großen Tagesverlusten bricht er schon eine Woche vor dem WTC-Anschlag durch und generiert damit ein deutliches Verkaufsignal (gelb markiert).

Die nächste Etage bei 4400 wird im Zuge der WTC-Attacke ohne weiteres durchbrochen, der DAX zeigt jetzt keinerlei Stärke mehr und fällt sturzbachartig innerhalb von nur drei Wochen etwa 1400 Punkte abwärts!
Der Einbruch steht dem in der Kuwait-Krise 1990 übrigens in nichts nach. Er ist sogar schneller und stärker. Jeder, der jetzt dabei ist, kann das zukünftig als sehr wichtige Erfahrung verbuchen. Ein nur vermeintlich schwacher Trost, wenn Sie gerade Verluste schreiben - doch die gehören leider dazu.


Nur in einem längerfristigen Chart ist zu erkennen, daß der DAX mit seinem bisherigen Tief 3787,23 (per 21.September) in den Bereich der letzten bedeutenden Unterstützungszone gefallen ist :

Chart: DAX Index - langfristig
Die eingezeichneten Trendlinien haben ihren Ursprung 1982, als diese Aktien-Hausse nach einer Jahre währenden Seitwärtsbewegung begann. Der DAX-Stand damals : 500 Punkte.
Es ist zu sehen, daß der DAX im Jahr 1998 und Anfang 2000 deutlich übertrieben hat. Insofern ist eine schwere und auch lang anhaltende Korrektur zunächst einmal begrüßenswert. Je später eine Korrektur kommt, desto ungesünder ist das für einen Markt.
Die schwer überkaufte Situation war jedoch bereits mit einem Stand von etwa 5200 Punkten weitestgehend abgebaut, der DAX erreichte damit längst das untere Drittel des Kanals.

Mit Kursen weit unter 4400 hat der DAX den Kanal objektiv charttechnisch signifikant unterschritten. Nach sehr vielen Jahren muß ein langfristiger Trendbruch zumindest in Erwägung gezogen werden.

Daß der DAX momentan nach dem Test der vorerst letzten Unterstützung bei etwa 3800 Punkten mit einer kräftigen Aufwärts-Korrektur reagiert, ist technisch löblich. Selbstverständlich ist er völlig überverkauft. Beispielsweise ein Trend-Bestätigungs-Indikator zeigt dies deutlich :

Chart: DAX TBI Trend-Bestätigungs-Indikator - langfristig
Niemals zuvor in den im vorherigen Chart sichtbaren elf Jahren war der DAX dermassen überverkauft. Und selbst wenn man weiter zurück geht, z.B. bis zum Crash-Jahr 1987, findet man keinen vergleichbaren Extremstand.

Fazit : Der DAX ist schwer überverkauft und konsolidierungsbedürftig. Eine technische Reaktion nach oben läuft ja bereits seit Anfang der Woche und ich rechne auch nicht damit, daß der DAX die Unterstützung bei 3800 in Kürze nochmals unterschreitet. So schlecht geht es den einzelnen DAX-Werten einfach nicht. Einige wirken auf dem aktuellen Niveau sogar ausgesprochen günstig.

Dennoch spricht das Umfeld noch nicht dafür, daß schon jetzt eine nachhaltige Trendwende möglich ist. Die Panikreaktion ist vorerst durch. Bevor nicht klar ist, wie der von den Amerikanern geplante Gegenschlag "Infinite Justice" ("grenzenlose" oder "unendliche Gerechtigkeit") aussehen wird, werden sich die Märkte trendlos und abwartend verhalten.

Beim DAX ist technisch eine Aufwärtskorrektur bis zum Widerstand 4400 vorstellbar. Egal, wann wir dort ankommen, die Reaktion bei 4400 wird mehr Klarheit über die zukünftige Entwicklung schaffen.
Wie gesagt, ist es nicht auszuschließen, daß wir in den großen Leitindices gerade langfristige Trendwechsel erleben. Niemand kann momentan sagen, wie lang und stark die wirtschaftliche Kontraktion wird. Der neue Wert des am letzten Dienstag veröffentlichen Konsumentenvertrauens-Index der Amerikaner fiel jedenfalls überhaupt nicht gut aus, auch wenn die Reaktion des Markts darauf sehr moderat blieb.
Meiner Einschätzung ist es nach wie vor ratsam, in der Defensive zu bleiben. Aggressive Investments drängen sich noch keinesfalls auf. Auch das Gold ist zu beachten (sehen Sie dazu auch die neue Ausgabe der Leserbriefe).
Sehen wir uns nun am Chart des NEMAX All-Share Index die charttechnische Situation des Neuen Markts an.


Sonderbericht: Neuer Markt / NEMAX All-Share Index

TA professional, Mi, 26.09.2001,
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Weitere Artikel zum Neuen Markt in Ausgabe Nr.17, Ausgabe Nr.15, Ausgabe Nr.11

Die charttechnische Analysierbarkeit der Indices des Neuen Markts ist leider völlig unbefriedigend. Seit dem sowohl der NEMAX 50 als auch der All-Share Index unter das Startniveau von Anfang 1998 fiel, gibt es keine Anhaltspunkte mehr. Desweiteren sieht man in den Indices keinerlei Formationen, nicht mal einen verlässlichen Trendkanal. Die Indexkurven fallen seit September 2000 einfach permanent steil bergab. Das ist die einzige und traurige Besonderheit.

Chart: NEMAX All-Share Index - langfristig
Man kann nun, wie es eben beim DAX getan wurde, statistische Indikatoren hinzuziehen. Unterlegen wir den NEMAX All-Share wieder mit einem langfristig eingestellten TBI :
Chart: NEMAX All-Share Index - langfristig
Ja, der NEMAX All-Share ist völlig überverkauft, nur ist er das schon seit mindestens einem halben Jahr. Es gibt m.E. in solch schweren Baissen keine hilfreiche Aussage seitens der Indikatoren.

Gehen wir nochmals kurz in die höhere Auflösung des einjährigen Linien-Charts auf Tagesbasis :

Chart: NEMAX All-Share Index - kurzfristig
Die Kurve zeigt bislang keinerlei Strukturen. Letztmals gab es im April-Mai eine ganz schwache Chance auf den Beginn eines Bodens.
Charttechnisch verwertbar sehe ich hier ausschließlich waagerechte Widerstände - so z.B. sehr stark bei 2400, schwächer bei 2000 und 1600 und beim Startniveau 1000. Diese Marken werden wieder interessant, wenn der Markt dreht, wovon noch nichts zu sehen ist.
Den Gesamtmarkt würde ich keinesfalls (via Fonds oder Zertifikat) kaufen, allerhöchstens bieten sich m.E. vorsichtige Investments in erstklassigen Einzelwerten des Neuen Markts an, die in diesem weitestgehend zerstörten Segment eine Minderheit darstellen.


Gruß und Erfolg, Lutz Düvel
[ TA professional Herausgeber ]
26.09.2001

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