Traut Euch!

TA professional, Fr, 02.11.2001,
ks.
Weitere Artikel von Kurt Seifert : "Pssst", was ist daraus geworden?, "Pssst", Kursgewinne gefällig?, Neuer Markt: Das Geld liegt auf der Straße, Sehen vs. Hoffen, Wu Wei (Nichts tun) ?, O.N..

Börse ansich ist schon in normalen Zeiten ausgesprochen unberechenbar und schwierig. Überlagern sich jedoch mehrere von einander unabhängige Einflüsse, so droht Orientierungslosigkeit und jeder Prognoseversuch wird zum Glücksspiel.

Kurz ein Blick auf einige Fäden des sich darbietenden Gordischen Knotens:

Dies ist nur eine kleine und ausdrücklich unvollständige Aufzählung von Faktoren und Stimmungen.

Zu jedem ordentlichen Gordischen Knoten gehört auch ein Schwert. Alan Greenspan hat es sogar schon geschwungen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß sich der Investor am Aktienmarkt auf die sinkenden Zinsen in USA und Europa und die rapide wachsende Geldmenge konzentrieren sollte. Unter bewußtem Beiseiteschieben der vielfältigen miteinander verwobenen Probleme und Sorgen, Befürchtungen, Einwände und Vorbehalte. Zinsniveau und Geldmenge. Dies ist die Musik nach der die Börse letztlich immer getanzt hat und auch künftig tanzen wird. Daß das breite Börsenpublikum, die Medien, die allgemeine Öffentlichkeit zu anderen Bewertungen gelangen, ist kein Indiz für eine abweichende künftige Entwicklung, sondern eine Chance, früh mit dabei zu sein.

Natürlich kann man warten, "bis die Wirtschaftskrise richtig da ist". Doch was machen wir, wenn die geldpolitischen Maßnahmen der amerikanischen Notenbank, verbunden mit den fiskalischen Hilfen der Regierung in den USA, dort und damit auch bei uns das tiefe Eintauchen ins Rezessionstal verhindern?

Natürlich kann man auf das sogenannte "zweite Bein" der großen Umkehrformation lauern. Möglicherweise zeichnet sich gegenwärtig sogar ein solches durch das Ende der vorangegangenen Zwischenerholung nach Abprallen am MDT ab.

Zyniker könnten sogar auf die Idee kommen, die angedrohten weiteren Terrorverbrechen zur Einstiegs-Optimierung abzuwarten. Sie könnten für diese schlimme Geisteshaltung durch den Markt bestraft werden. Zu den ethischen Unaussprechlichkeiten gehört, daß die Börse selbst Bedrohungen und Unmenschlichkeit in die Bewertung mit einbezieht.

Es ist oberflächlich zu glauben, daß die Aktien einer Gesellschaft mit in der Vergangenheit stetig steigenden Erträgen und erkennbar einer auch künftig guten Entwicklung von nun an stets zu Preisen zu bekommen sein werden, die, vergleichbar gerechnet, unter denen von ertragsschwachen Immobilien liegen. Es ist unwahrscheinlich, daß bei wirtschaftlich gesunden Unternehmen der Markt auf Dauer wesentlich über der Umlaufrendite liegende Dividendenverzinsungen hinnimmt, ohne durch eine Kursangleichung für geordnete Verhältnisse zu sorgen.
Und niemand sollte glauben, daß bei Firmen mit Gewinnabschlüssen auf Dauer eine Marktkapitalisierung unterhalb des ausgewiesenen Eigenkapitals der Unternehmung realistisch ist.

Unternehmenswachstum, Dividendenrendite und Kurs-/Buchwertverhältnis sind die konservativen Kriterien, nach denen man in unsicherer Zeit die Vorselektion betreiben sollte. Die sich ergebene WatchList bewahrt ein wenig vor unangenehmen Überraschungen und gibt zusätzlich größere Sicherheit und Ruhe in kritischen Phasen.

Beim Einzel-Investment entscheidet der Einzelchart.
Üblicherweise, und die zurückliegende Zwischen-Rallye hat dies wieder einmal bestätigt, werden nach einem Trendwechsel zunächst die marktbreiten und bekannten Standardwerte anziehen. Was jeder kennt, kauft auch jeder. Die Situation bei den deutschen blue chips ist für mich aus charttechnischer Sicht recht zwiespältig. Einerseits sind sie seit dem Low bereits wieder recht ordentlich gekommen und unter Bewertungsgesichtspunkten nicht mehr billig, andererseits von ihren Chartstrukturen her keineswegs überzeugend.

Einen Blick auf die zweite und dritte Reihe habe ich an anderer Stelle geworfen. (Anmerkung der Red. siehe "Pssst", was ist daraus geworden?)

Nach meiner Meinung dürfen Charts, ohne das große Ganze aus dem Auge zu verlieren, gegenwärtig durchaus auch etwas kürzere Zeiträume zeigen. Gerade auch am Neuen Markt. Zwischen hundert Blendern, Täuschern, Vermögensvernichtern gibt es hier auch einige Dutzend solider Wachstumswerte zu beobachten, die pauschal mit nach unten gezogen wurden, als die Baisse ihren Höhepunkt erreichte. Es wäre töricht, nach streng klassischen charttechnischen Gesichtspunkten jeden Aufschwung unterhalb des MDT als "Bear Market Rallye" und deshalb für den mittelfristigen Investor irrelevant abzutun. Ganz abgesehen davon, daß das Potential bis zu besagtem Downtrend oftmals erheblich ist, würde dies den Hysterie-Höchstkursen der Vergangenheit, auf denen jene Haupttrendlinie basiert, eine charttechnische Bedeutung geben, die ihnen nicht zukommt. Trendlinien sollten, ja müssen, nach meiner Ansicht am NM kürzer gezogen werden, um die sinnlosen Übertreibungen der zurückliegenden Hype aus der laufenden Chartanalyse herauszuhalten. Bei Beachtung dieses Gesichtspunktes mehren sich die Bottomansätze, die einer weiteren Beobachtung wert sind.

Der Neue Markt birgt für mich die Schwierigkeit, daß die Werte, die ich aufgrund ihrer Chartsituation gegenwärtig kaufe, inzwischen so markteng sind, daß ich mich mit ihrer Nennung der Gefahr von Pusherei-Verdächtigungen aussetzen würde. Zweifellos sind Engagements in diesem Marktsegment auch in zweierlei Hinsicht kritisch zu sehen. Zum einen muß man ganz besondern am NM sich vor "Aussitzversuchen" hüten und durch strenge Stop-Loss-Limite das Risiko begrenzen, zum anderen ist aufgrund des Desinteresses an diesen Small Caps, dem gestörten Anlegervertrauen und der allgemeinen Marktunsicherheit der Investitionszeitrahmen mit m. E. mindestens zwei bis drei Jahren anzusetzen. Die Kurssteigerungschancen halte ich allerdings bei ausgewählten Werten für erheblich und dies ist der Grund für mein verstärktes Interesse.

Es ist genügend Geld da und es ist billiges Geld da. Also heißt es zu handeln, wenn die Chartsituation eines Einzelwertes dies nahelegt. Traut Euch.


Kurt Seifert
02.11.2001


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