TA professional, So, 26.11.2000, ks.
Bezugnehmender Artikel : DAX-Eingeweideschau
Eine bewegte Woche liegt hinter uns. Als Chartist ist man trotzdem tief befriedigt, wenn man sieht, daß selbst in solchen Zeiten Unterstützungsniveaus funktionieren.
Der DAX ist von seiner Unterstützung bei ca. 6.500 Punkten am Donnerstag abgeprallt (es bildete sich ein "Positive harami", der bereits die kurzfristige Trendwende signalisierte) und hat am Freitag mit einer weißen Kerze nach oben gedreht und damit die zuvor genannte Formation bestätigt.
Dieser Tagesbewegung ist natürlich im größeren Zeitrahmen wenig Bedeutung beizumessen, aber sie läßt trotzdem hoffen. Immerhin liegt die untere Begrenzung des Abwärtstrendkanals gegenwärtig irgendwo zwischen 6200-6300 Punkten. Daß der Index nicht bis dorthin durchsackte und den laufenden Abwärtstrend auf diese Weise ausdrücklich bestätigte, ist positiv. Aus dem erfolgreichen Test des 6.500 Punkte-Unterstützungsniveaus könnte sich nun im besten Falle sogar eine mittelfristige Trendumkehr entwickeln.
Doch zunächst sind solche Prognosen gleich dem Gackern über ungelegte Eier. Über dem Index liegt bei ca. 7.050 Punkten bereits ein erster Widerstand aus dem kurzfristigen Downtrend ab Oktober, dadrüber das letzte Zwischenhoch bei ca. 7.140 Punkten, dadrüber die obere Trendkanallinie bei ca. 7.200 Punkten. Erst wenn letzteres Hindernis mit mehr als den charttechnisch relevanten 3% überschritten ist, darf man hoffen, daß der DAX "die Kurve gekriegt" hat.
Nun ist dies keine Tradinganalyse für den DAX bzw. den DAX-Future, sondern eher die sentimentstechnische Betrachtung eines mittelfristig orientierten Investors, aus der ich übergeordnete Timingüberlegungen zu Einzelengagements ableite. Aus dieser Sicht rührt auch meine Befriedigung darüber, die holperige Wegstrecke der letzten Woche ausgesessen zu haben.
Was hat sich seit der letzten Einzelwert-Besprechung bei den Charts geändert?
- Adidas : Entgegen dem Markttrend hat sich die Aktie positiv entwickelt und befindet sich nun an der Neckline eines verzerrten Doppelbodens, wie seinerzeit von mir als Möglichkeit erhofft. Es fehlen noch 3 Euro Kurssteigerung für ein charttechnisches Kaufsignal. Die Umsatzentwicklung in der Formation ist lehrbuchhaft stimmig und die relative Stärke der letzten Tage berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Eine weitere Bestätigung und Bestärkung wäre der bevorstehende Bruch des in die Waagerechte drehenden GD 200.
Keine Schnellschüsse! Sollte sich jedoch der von mir erwartete weitere Anstieg um die wenigen Euro in der kommenden Woche fortsetzen, wäre dies der charttechnische Klassiker des Monats.
Der Weg nach oben wird gewiss steinig (da sehr widerstandsreich) werden, aber man sollte solche Gelegenheiten m.E. nicht ungenutzt verstreichen lassen. Dies wäre dann nämlich eine wirkliche Trendwende nach einer ausgeprägten Einzelwertbaisse und diese Situation hat charttechnisch eine bessere Qualität und ein geringeres Risiko als die sonst in dieser Marktphase gebotenen Signale, also die ewigen Pull-backs nach Kurseinbrüchen. Selbst neue All-time-highs schätze ich in ihrem charttechnischen Wert für den Anleger geringer ein.
- BMW : Der Kurs brach im Rahmen der Marktbaisse um 10% ein und fand am GD 200 Unterstützung. Ein "Hanging Man", gefolgt von einem großen "Black Hammer" lassen m.E. erwarten, daß dieses Nievau gehalten wird. Andererseits ist die Hammerfarbe ein Zeichen für aktuellen Abgabedruck und man muß befürchten, daß die Erholung zurück in die Topzone eher zögerlich vonstatten gehen wird.
- Degussa-Hüls : Die Aktie hat formal ein charttechnisches Kaufsignal erzeugt. Das ich aber noch nicht befolgen würde. Das Beharren des Kurses auf dem Nievau von ca. 34 Euro mahnt m.E. zur Vorsicht. Besonders, weil die Umsätze drastisch zurückgegangen sind. Dieses Zusammenspiel von Umsatz und Kursverhalten deutet auf das Ende einer Bear-Market-Rallye hin. Also heißt es abzuwarten. Kommt der Kurs in den nächsten Wochen zum GD 200 noch einmal zurück und steigt dann erneut, wäre dies nicht nur ein kursmäßig günstigerer Einstieg, sondern vor allem auch ein charttechnisch viel risikoärmerer. Die Alternative wäre ein Anstieg über 36 Euro, möglichst mit anziehenden Umsätzen.
Let's wait and see.
- Deutsche Bank : Die Situation gleicht charttechnisch der von BMW. Für kurzfristig orientierte Investoren vielleicht sogar eine "6%-Trading-Chance". Für mittelfristige Anleger besteht kein Handlungsbedarf.
- Deutsche Telekom, Infinion : Die Aktien bewiesen relative Stärke. Es zeichnet sich eine Seitwärtsbewegung ab, was nach der vorangegangenen Baisse bereits positiv zu werten ist. Aber es ist gegenwärtig natürlich noch zu früh, bereits von quot;Bodenbildung" oder ähnlichem zu sprechen.
- e.on, RWE : Sehen gut aus. Die Aufwärtstrends gehen weiter. Nach wie vor Im-Trend-"Buy"-Situationen, m.E.
- Epcos : Seitwärtsbewegung, möglicherweise beginnende Bodenbildung im frühen Stadium. Aber Vorsicht, noch befindet sich der Kurs unter dem MDT. Eine Wiederaufnahme des Abwärtstrends ist deshalb mindestens ebenso wahrscheinlich wie meine vorsichtig angedachte optimistische Erwartung.
- Linde : Nach dem Ausbruch aus dem vorangegangenen großen Ascending-Triangle von Juli-Oktober 2000, befindet sich der Kurs nun an der oberen Begrenzung einer Zwischenkonsolidierung, eines weiteren - kleineren - aufsteigenden Dreiecks mit Obergrenze bei ca. Euro 52. Der Ausbruch hieraus wäre ein Kaufsignal im laufenden Trend. Die Aktie sieht recht ordentlich aus.
- Lufthansa : Der Kurs hat sich, im Rahmen eines Pull-backs, über den GD 200 nach oben hinweggerettet und ist in der vergangenen Woche auf diesen zurückgefallen. M.E. ist in näherer Zukunft eher mit einer stagnierenden Kursentwicklung, möglicherweise um den waagerecht verlaufenden GD 200 herum oszillierend, zu rechnen.
- Preussag : Der Kurs klebte in der vergangenen Woche an der Unterseite des sich abflachenden GD 200, hatte jedoch nicht die Kraft über diesen hinweg auszubrechen. Es bildet sich langsam ein größeres Rechteck. Obwohl ich von dieser Aktie fundamental nicht viel halte, verdient sie charttechnisch in den kommenden Wochen erhöhte Aufmerksamkeit.
- SAP : Gegenwärtig charttechnisch ausgesprochen schwach. Im Baisse-Trend.
- VW : Der begonnene Uptrend ist in einer kritischen Phase. In der vergangenen Woche fiel der Kurs auf die Unterstützungslinie der vormaligen Rechteck-Formationsobergrenze zurück und zeigte zum Wochenausklang eine schwächliche Kurs-Seitwärtsbewegung. Sollten die Kurse unter ihr gegenwärtiges Niveau fallen, ist zumindest der kurzfristige Aufwärtstrend beschädigt und man muß entscheiden, wie sehr man dem mittelfristigen traut. Der GD 200 beginnt zu steigen und befindet sich bei ca. 47 Euro. Das gibt zwar eine gewisse Sicherheit und Zuversicht, andererseits aber auch eine Menge Platz nach unten für einen nochmaligen Rücksetzer dieses recht volatilen Standardwertes. Muß man sich so einen angedachten 15%-Durchrutscher unbedingt antun? Ich wäre in den nächsten Tagen hoch wachsam und im Zweifel schnellentschlossen.
- Allianz, BASF, Bayer, Commerzbank, DaimlerChrysler, Dresdner Bank, FMC, Henkel, HypoVereinsbank, KarstadtQuelle, MAN, Metro, Münchener Rück, Schering, Siemens, Thyssen-Krupp : Keine Veränderung der Chartsituation gegenüber der Vorwoche.
Fazit : Obwohl die Chartbilder der Einzelcharts wirklich sehr bunt gemischt scheinen, kann ich die Gesamtsituation nicht als schlecht empfinden. Im Gegenteil, gerade vor dem Hintergrund der ausgeprägten Baisse an den neuen Märkten bin ich vorsichtig optimistisch für die weitere Entwicklung bei den Standardwerten.
Hingegen ist die wunderschöne Erholung am Neuen Markt für mich ein klares sentimenttechnisches Warnsignal im Sinne des Contrary Opinion-Ansatzes. Waren hunderte von Doppelminus-Ankündigungen ein Zeichen ungesteuerter Verkaufspanik, ist die gleiche Zahl von Plus- und Doppelplus-Zeichen auf der Kurstafel der letzten Tage ein ebensolches Indiz dafür, daß die agierenden Marktteilnehmer die Marktbereinigung und -normalisierung noch nicht als solche wahrgenommen haben bzw. wahrhaben wollen. Es dürfte deshalb m.E. in diesem Marktsegment, nach Auslaufen der gegenwärtigen Zwischenerholung, eher noch ein bißchen weiter nach Süden gehen. Wir hatten nur einige sehr schwache Tage, aber noch keinen wirklichen Sell-out.
Aus diesem Grunde, diesen Wermutstropfen zum Schluß, wird m.E. auch die stimmungsmäßige Belastung des Gesamtmarktes noch andauern.
Kurt Seifert
24.11.2000
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