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Deutsche Börse DAX Prognose (+ Bund Future Umlaufrendite)

TA professional, 23.08.2007,
ld.

Herzlich willkommen!

In den Baisse-Jahren vor 2003 wurde die deutsche Börsen-Situation an dieser Stelle immer wieder mit einer potenziellen Turnaround-Situation verglichen, wie man sie bei einem Einzelunternehmen kennt. Es gibt Chancen ohne Ende, nur muß ein Sanierungswille ersichtlich werden, möglicherweise zusammen mit Veränderungen in der Führungsebene. Und wenn sich dann die Fundamentals verändern, der Turnaround nach und nach Investoren bewusst wird, drei typische Phasen, die man im folgenden Langfrist-Chart auf Monatsbasis, Zeitraum etwa 10 Jahre, m.E. gut erkennen kann:

Deutsche Börse DAX Prognose (+ Bund Future Umlaufrendite) Chart - TA professional Technische Analyse, Chartanalyse, Charttechnik

Die drei Phasen erinnern an die Schubphasen eines Impulses der Elliott-Wellen-Theorie, man könnte sie wohl auch so zählen, dennoch wird diese Theorie an dieser Stelle nur rudimentär verfolgt.
Wir haben im DAX rein charttechnisch klare waagerechte Unterstützungs- und Widerstandszonen vor Augen, nämlich bei 2200, 4000, 6000 und dann natürlich auf dem bisherigen Top-Niveau von Anfang 2000, ein fetter Top-Widerstand bei 8000+ (High am 07.03.2000: 8136,16).

Alle Welt, zumindest die gesamte Medienwelt, berichtet momentan ausführlich und dramatisch von einer schweren Finanz-Krise ausgehend von notleidenden Immobilien-Krediten in den USA. Sie wissen das alles und es soll an dieser Stelle auch nicht weiter darauf eingegangen werden, da es niemand einschätzen kann und man in der Technischen Analyse so emotionslos wie möglich vorgehen sollte.

Sehen wir uns angesichts dieser Lage den DAX an, fällt auf, daß hier eigentlich ganz wenig passiert ist, der DAX hat seit dem Top am 13.Juli diesen Jahres bei 8151,57 gerade einmal 10% verloren, die im historischen Vergleich auch bislang nicht heraus ragen - vergleichen Sie einmal die Rückschläge in den Jahren 1997 und besonders 1998.

Es ist charttechnisch völlig normal, daß Top-Widerstände, wie der schon einige Jahre zurück liegende, massive 8000er, nicht beim ersten Test sofort genommen werden. Eine technische Korrektur nach dem ersten Test ist völlig normal. Insbesondere, wenn ein Index zuvor übertrieben hat. Und das hat der DAX: allein seit dem Tief im März hat unser Leitindex in nur gut drei Monaten etwa 25% zugelegt. Ja natürlich, sehr schön, wunderbar, aber normal ist das nicht. Das ist eine Überrendite, die ein Blue-Chip-Index(!) eines etablierten Landes der ersten Welt normalerweise nicht halten kann. Schon gar nicht, wenn er bereits 200% brachte in den zurück liegenden vier Jahren. Der Drawdown kommt garantiert, früher oder später. Das kennt jeder aus seinem eigenen Depot.

Es soll hier nicht schön geredet werden, was momentan bzgl. der Immobilien-Subprime-Kredit-Krise läuft oder was noch nicht. Diese Krise ist tatsächlich ernst zu nehmen - wenn alles kippt. Noch ist es auffällig, daß im deutschen Index eigentlich noch gar nichts oder wenig passiert ist.

Viele Auguren rechnen demnächst mit einer nachhaltigen Wende, auch bspw. der Spiegel hat diese subprime-Story natürlich als Header verwendet und tut das noch immer. Früher wäre es dann an der Zeit gewesen, das Ende der Abwärtsbewegung auszusprechen. Nicht dieses Mal, weil wir m.E. noch mitten drin sind in dem Gewitter, daß sich durchaus zu einem Orkan ausweiten kann, nicht muss. Wir können leider nicht hinter die Kulissen sehen. Wenn Notenbanken plötzlich weltweit mit enormen Liquiditätspritzen in Milliardenhöhe eingreifen, ist das nicht unterzuberwerten.

Zinswende

Worauf ich hinaus will - es ist wahrscheinlich, daß man grundsätzlich in der Zukunft mit einer nachhaltigen Veränderung des Trend-Charakters für Jahre rechnen muß. Aus dem einen Grund: die wahrscheinlich bereits gelaufene Trendwende der Kapitalmarktrenditen.

Machen wir jetzt kurz einen wichtigen Schnitt, bevor wir uns dem DAX kurz- und mittelfristig zuwenden. Wir sehen uns dazu die deutsche Umlaufrendite in drei Grafiken ultra-lang- (35 Jahre), lang- (10 Jahre) und mittelfristig (2,5 Jahre) an - achten Sie bitte auf die jeweilige Zeitachse :

Deutsche Börse DAX Prognose (+ Bund Future Umlaufrendite) Chart - TA professional Technische Analyse, Chartanalyse, Charttechnik

Selbst für einen Börsianer mit einer über 20 Jahre langen Börsenerfahrung wie der des Autoren, den Sie gerade lesen, ist es nun einmal so, daß die in der Praxis erfahrene Börsenwelt (, ab etwa 1986 mit einer nicht mehr existenten Digital Equipment (DEC) als allererster Aktie), in einer Zeit stattfand, in der die Kapitalmarktrenditen tendenziell nahezu ständig gesunken sind. Ausgehend vom Top 1981 ist die deutsche Umlaufrendite sogar von extremen Niveaus weit über 10% auf geradezu unfassbare Tiefs in 2005 gefallen.

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Steigende Zinsen können einem das Genick brechen, was nicht nur für Häuslebauer in den USA zur Zeit gilt. Wie Sie wissen, stehen die Kapitalmarktrenditen unmittelbar im Wettbewerb mit den normalerweise erheblich risikoreicheren Renditen, die man durch Aktien erzielen kann.

Die in 2005 erreichten Werte der Umlaufrendite werden an dieser Stelle als völlig übertriebene Erschöpfungs-Tiefs eines ausgereizten Trends angesehen. Mit Werten über 4% wurde der auch in der ersten Grafik der Umlaufrendite dargestellte steilere (rote) Abwärtstrend erstmals seit 1990 gebrochen.

Deutsche Börse DAX Prognose (+ Bund Future Umlaufrendite) Chart - TA professional Technische Analyse, Chartanalyse, Charttechnik

Nach einem charttechnisch klassischen Throw-Back von oben zurück auf die Unterstützung 4% in den ersten Wochen dieses Jahres, hat die Rendite-Kurve m.E. eine neue Richtung eingeschlagen. Der positive Break sieht signifikant aus, auch wenn momentan nach der ersten Entfernung seit Mitte Juli ein weiterer Rückschlag zu beobachten ist.
Die Umlaufrendite ist nun bei gut 4% nach dem erfolgten Break sehr gut unterstützt. Die Bewegung der letzten Wochen wird an dieser Stelle als reine Korrektur, Throw-Back, eingeschätzt, die im Bereich von 4% zum Stillstand kommen sollte - beachten Sie den Cross-Support (Kreuz-Unterstützung), der bereits jetzt erreicht wird.

Bund Future

Das Ganze nochmal kurz durch einen Blick auf den Bund Future untermauert :

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Wie man sieht, kann eine nachhaltige, primäre Trendwende sehr lange dauern, viel länger als die meisten glauben: der Bund Future hat den breiten Aufwärtstrendkanal ab 2000 bereits Anfang 2006 mit kräftigen Verlusten und Gaps nach unten verlassen. Dennoch dauerte die Arbeit an der m.E. wichtigsten waagerechten Widerstands-/Unterstützungs-Linie dieses Zeitfensters, bei knapp 115, noch etliche Monate.

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Erst im April diesen Jahres haben wir den maßgeblichen negativen Break gesehen. Der Bund Future lieferte mit dieser Unterschreitung ein massives Verkaufsignal.
Alles, was momentan seit dem Tief 110 läuft, wird an dieser Stelle als reine Korrekturbewegung eingeschätzt, ein Pull-Back, der bei dem Kreuzwiderstand (Cross-Support) aus abwärts laufender (roter) Widerstandslinie (ab Top 2005), dem waagerechten Widerstand bei 115 und der (abwärts tendierenden) 200 Tage Durchschnittslinie mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgehalten wird.

TA professional rechnet mit einer Normalisierung bei den Kapitalmarktrenditen, d.h. im Bund nach dieser Aufwärtskorrektur weiter abwärts, die Umlaufrendite in Richtung 5,5%-6% - ein Niveau, das von 1960 bis 1996 gerade einmal absolute Tiefs darstellte! (siehe zweite Grafik)

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Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Aufwärtstrends des DAX von April 2005 bis Mai 2006 und Juli 2006 bis Juli 2007 strukturell ähneln. In beiden Trends oder Wellen entfernte sich der deutsche Leitindex sehr stetig immer weiter von der (schwach blauen) primären Aufwärtstrendlinie (und auch der langfristigen Durchschnittslinie).
Ungefähr in der Mitte der Swings setzte eine deutlichere Korrektur ein (Oktober 2005, März 2007). Und ganz wichtig: am Ende, als die Überhitzung zu stark wird, werden jeweils Rising Wedges (Hausse-Keile) entwickelt.

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Im letzten DAX-Chart sieht man das Rising wedge m.E. sehr gut.

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Kursziel?

Weder John J. Murphy noch Edwards/Magee gehen in ihren TA-Standardwerken (siehe www.taprofessional.de/buecher/ näher auf die Kursziele von Wedges (Keilen) ein. Es wird allerdings darauf hingewiesen, daß Keile selten Trends komplett umkehren, vielmehr nur Korrekturen eines Trends einleiten. (Obwohl wir in der Unze Gold ein (allerdings größeres) Falling Wedge durchaus als Trendwende-Formation indizieren konnten. siehe:
http://www.taprofessional.de/ausgaben/ta000213.htm#thema_4)

Aber wir haben ja ein Praxis-Beispiel vor Augen, sogar im DAX, im Jahr 2006. Nach dem charttechnisch einwandfreien Break nach unten, verlor der DAX letztes Jahr von einem Top bei 6162,37 am 11.05.2006 bis zum 14.06.2006 und 5243,71 im Tief etwa 14,9%.
Wenn man diesen Verlust als Maßstab nimmt, wäre der DAX momentan nach einem Top bei 8151,57 am 13.07.2007 etwa bei 6937 Punkten mit der Korrektur durch.
Mit dem bisherigen Tief bei 7190,36 am 17.08.2007 hat der DAX erst 11,79% korrigiert.

Das sind rein theoretische Berechnungen, die uns aber zumindest vage Anhaltspunkte liefern. Vorraussetzung ist dabei aber immer, daß der primäre Aufwärtstrend seit 2003 nicht gänzlich in Gefahr ist, wovon m.E. momentan nicht mehr ohne weiteres ausgegangen werden kann.

Okay - die eben errechneten 6937 passen auch in anderen Betrachtungsweisen: zunächst einmal in dem simplen GLD-Differenz-Indikator, der in der vorletzten Grafik gezeigt wird.
Viel wichtiger passt ein nächstes Kursziel knapp unter 7000 DAX-Punkten anhand der historischen Trendlinien: bei 7000 besteht aktuell eine Kreuz-Unterstützung (Cross-Support). Die wichtigste (blaue) Aufwärtstrendlinie ab 2003 sieht man bereits in der ersten Grafik.

Fazit

FED-Chef Bernanke hat mit dem Emergency Rate Cut am Freitag letzter Woche, obwohl nur Diskont, kurz vor dem Wochenende ein Signal gesetzt, das zumindest psychologisch bis jetzt hervorragend Wirkung zeigt. (Ganz abgesehen von dem wirklich auffälligen intraday reversal am Donnerstag zuvor.) Die Märkte haben sich in dieser Woche beruhigt und es sind m.E. in diversen Aktien short-covering-Rallys zu beobachten, die man zunächst nicht überbewerten sollte.

Es ist selbstverständlich möglich, daß das Credo "FED senkt, alles wird gut" auch dieses Mal gilt. Der Markt wird mit Liquidität überschwemmt und kann gar nicht fallen!? (Nächstes offizielle FOMC-Meeting m.E. am 18.09.2007, EZB am 06.09.2007) Wirklich nicht? Das ist die große Frage. Jetzt könnte man tausendfach die Risiken der subprime-Krise abwägen und käme nie zu einem Ergebnis. Mein Eindruck ist, daß die involvierten Banken die Risiken dieser international hin und her geschobenen, vorne und hinten gehebelten Pakete selbst gar nicht mehr einschätzen können und jederzeit eine noch viel größere Schieflage, als die bislang bekannten ans Tageslicht kommen kann.
Auf der Partner-Website www.aktien-blog.de werden übrigens regelmäßig interessante Artikel zum Thema vorgestellt.

Da die Medienwelt die Kurzweiligkeit der Aufnahmefähigkeit der Menschen in- und auswändig kennt, werden solche Meldungen aktuell, wie bspw. die der Sachsen LB, nur noch peripher gemeldet. Dadurch werden die Milliarden-Summen nicht geringer.

Index-Performance

Der DAX beendete das Jahr 2006 mit einem Stand von 6596,92 am 29.12. Das heisst, bis zum Hoch 8151,57 am 13.07.2007 eine stattliche Index-Performance von 23,5%! Hervorragend, ich kann jeden verstehen, der angesichts solcher Zugewinne das ganze Jahr bereits durch Verkäufe abgeschlossen hat.

Mehr als kurzfristige Trading-Chancen angesichts "ausgebombter" (und unbedingt solider) Aktien wird an dieser Stelle momentan nicht gesehen. Schon bei 7600 (und dann 7800) DAX-Punkten kann das Spiel in Tagen/Wochen vorbei sein.
Bedenken Sie, daß wir uns noch im August befinden und der schwächste Monat saisonal der September ist.

TA professional schätzt das Chance/Risiko-Verhältnis aktuell als viel zu schlecht ein, als daß man dabei sein müsste. Eine Fortsetzung der Hausse, abgesehen von spekulativen, kurzfristigen Trading-Chancen, Index-Kurse weit über 8100 sind in diesem Umfeld ziemlich unwahrscheinlich. Defensive ist angesagt.

Ganz klar, die Situation ist anders als 2000. Es gibt (außer - Warnung - in China) keine Horde uninformierter Kleinanleger, die eine Blase erzeugt hat. Trotz knackiger Kursgewinne lassen sich die Deutschen in den letzten Jahren mit Mini-Renditen aus Garantiezertifikaten und Geldmarktfonds abspeisen. Und so lange man noch Unternehmen finden kann, die ausgezeichnete Geschäftsentwicklungen ausweisen können, sattes zweistelliges Gewinnwachstum prozentual, ist der Markt auch nach unten einigermaßen abgesichert. Allerdings bewertet die Börse nur bedingt das Jetzt. Die berechtigte Frage ist nämlich, ob wir das Hoch der rasanten Gewinnsteigerungen deutscher Unternehmen nicht schon gesehen haben.


Gruß und Erfolg, Lutz Düvel
23.08.2007
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